Gelesenes
Schreibe einen Kommentar

Marie Malcovati: Nach allem was ich beinahe für dich getan hätte

„Nach allem was ich beinahe für dich getan hätte“ von Marie Malcovati, erschienen bei der Edition Nautilus, ist in vielerlei Hinsicht ein wirklich ungewöhnlicher Roman:

  1. Zwei wildfremde Menschen sitzen auf einer Bank.
  2. Stundenlang.
  3. Ein Polizist der Kantonspolizei beobachtet sie.
  4. Stundenlang.
  5. Ort des Geschehens ist ein Bahnhof.

Wir, die Leser, beobachten – ganz genau wie der Polizist Beat Marotti – zwei Personen, die ohne erkennbaren Grund auf einer Bank in der Bahnhofshalle sitzen. Lucy und Simon. Die  Geschichten von Lucy und Simon, aber auch von Marotti, erschließen sich dem Leser peu à peu.

Marotti, damit beginnt der Roman, wurde eingeteilt, die Schalterhalle des Basler Bahnhofs zu überwachen, da ein Drohbrief vermuten lässt, dass Aktivisten ihr Unwesen treiben könnten. Freiwillig macht er das nicht, aber eine Verletzung zwingt ihn aktuell zur Bewegungslosigkeit. Die Schmerzen betäubt er mit Tabletten – und dabei auch irgendwie sich.

Lucy, so verrät uns der erste Satz über sie, hatte Genf abgesagt. Sie hatte sich krank gemeldet, ohne überhaupt krank zu sein. Wir erfahren, dass ihre Zwillingsschwester Laure tot ist und sie ihren Namen einem humanoiden Fossilfund verdankt. Da saß sie nun. Mit einer geheimnisvollen Nachricht in ihrer Tasche.

Simon, soviel ist schnell klar, ist geprägt vom familiären Umfeld, denn die wunderschönen Lebensläufe seiner Brüder kommen sehr schnell zur Sprache, und auch das Zahnpastaimperium seines Großvaters. Allerdings schlägt er ganz und gar nicht nach der Familie, denn, so wird es jedenfalls formuliert, das Versprechen, das sein Aussehen gibt, kann er nicht halten.

Auf dem Bahnhof finden sich somit drei komplett unterschiedliche Personen (inklusive einiger skurriler Nebenfiguren) zusammen und genau das macht den Reiz aus. Marie Malcovati lässt uns weder Lucy, noch Simon, noch Marotti zu nahe kommen. Stattdessen erzählt sie deren Geschichte aus den verschiedenen Blickwinkeln und gibt nach und nach Einzelheiten aus deren Vergangenheit preis, um sie geschickt mit der Gegenwart zu verknüpfen.

„Nach allem was ich beinahe für dich getan hätte“ überzeugt durch gekonnte Wendungen, sprachliche Tiefe und menschliche Schärfen. Marie Malcovati hat ein Studium im Bereich Drehbuch und Filmwissenschaften absolviert. Das merkt man diesem Roman an – und das meine ich ausschließlich positiv. Ganz nebenbei ist dieses Buch auch noch ein echtes haptisches Erlebnis, denn der Umschlag fasst sich einfach unglaublich gut an und begeistert mich durch seine gestalterische Erscheinung. Ein nicht zu unterschätzendes (zusätzliches) Qualitätsmerkmal. Ein wirklich lesenswertes Stück Leseglück.

Lieblingssatz

„Seine Gedanken begannen, sich gewittrig zusammenzuballen.“ (S. 6)

Eckdaten

Marie Malcovati
Nach allem was ich beinahe für dich getan hätte
Edition Nautilus
Februar 2016
128 Seiten
ISBN: 978-3-89401-827-6
16 Euro

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert