Alle Artikel mit dem Schlagwort: Buchtipp

Jón Kalman Stefánsson: Sommerlicht, und dann kommt die Nacht

Wie wohl so viele fasziniert auch mich Island. Bisher habe ich jedoch noch keinen Fuß auf die Insel gesetzt – und mit Blick auf den alljährlichen, für mich wenig attraktiven Besucher:innenansturm (okay, außer jetzt zu Coronazeiten) bleibt das sicher auch noch eine ganze Weile so. Wie gut, dass ich mich gedanklich ganz easy in dieses faszinierende Land beamen kann, einfach Jón Kalman Stefánsson lesen und Helgi Jonsson lauschen. Ihr wollt auch ein bisschen in Gedanken reisen? Nichts einfacher als das. Als einer der wohl bekanntesten Schriftsteller:innen Islands hat Jón Kalman Stefánsson so einiges an Literatur für uns in petto. Mit seinen Büchern hat er so manche Preise abgeräumt. Meine Freundin aus Dänemark – als Nordlicht und Bibliothekarin muss sie wissen, was gut ist – empfahl mir „Sommerlicht, und dann kommt die Nacht“ von ihm zu lesen. In diesem Roman entführt uns Jón Kalman Stefánsson in ein kleines isländisches Dorf und das Leben der Bewohner:innen. Er erzählt ihre Geschichten, die bisweilen skurril, dramatisch oder mystisch daherkommen. Einige Leser:innen finden, dass die Menschen von ihm nicht immer …

Verena Kessler: Die Gespenster von Demmin

||Unbezahlte Werbung|| Eine Hausboottour auf der Peene – dem Amazonas des Nordens, echt wahr – ruft nach Bücherbergen. Und da kam das damals gerade neu veröffentlichte „Die Gespenster von Demmin“ von Verena Kessler gerade recht, denn Demmin würden wir in jedem Fall passieren. Dieses Debüt verbindet reale Ereignisse mit fiktionaler Realität, eine Kombination, die mir in Romanen besonders gefällt. Auch weil ich dann Neues über ein Ereignis, eine Stadt, ein Land lernen kann. Tatsächlich hatte ich von den Geschehnissen in Demmin im Mai 1945 noch nie etwas gehört. Doch zunächst einmal zu Larry. Ihr sehnlichster Wunsch ist es Kriegsreporterin zu werden, und dafür trainiert sie fleißig. Am liebsten kopfüber am Apfelbaum. Gerne mit ihrer Freundin. Immer in Sichtweite von Frau Dohlberg. Diese ältere Dame suchen immer wieder ihre Erinnerungen an den Krieg heim, vor allem an die Tage im Mai 1945, als sich in Demmin unzählige Menschen das Leben nahmen. Genau dafür wiederum interessiert sich Larry … doch sie spricht nicht mit ihr, die davon so einiges erzählen könnte. Mithilfe sorgsam gewählter Sprache widmet sich …

Marie Malcovati: Nach allem was ich beinahe für dich getan hätte

„Nach allem was ich beinahe für dich getan hätte“ von Marie Malcovati, erschienen bei der Edition Nautilus, ist in vielerlei Hinsicht ein wirklich ungewöhnlicher Roman: Zwei wildfremde Menschen sitzen auf einer Bank. Stundenlang. Ein Polizist der Kantonspolizei beobachtet sie. Stundenlang. Ort des Geschehens ist ein Bahnhof. Wir, die Leser, beobachten – ganz genau wie der Polizist Beat Marotti – zwei Personen, die ohne erkennbaren Grund auf einer Bank in der Bahnhofshalle sitzen. Lucy und Simon. Die  Geschichten von Lucy und Simon, aber auch von Marotti, erschließen sich dem Leser peu à peu. Marotti, damit beginnt der Roman, wurde eingeteilt, die Schalterhalle des Basler Bahnhofs zu überwachen, da ein Drohbrief vermuten lässt, dass Aktivisten ihr Unwesen treiben könnten. Freiwillig macht er das nicht, aber eine Verletzung zwingt ihn aktuell zur Bewegungslosigkeit. Die Schmerzen betäubt er mit Tabletten – und dabei auch irgendwie sich. Lucy, so verrät uns der erste Satz über sie, hatte Genf abgesagt. Sie hatte sich krank gemeldet, ohne überhaupt krank zu sein. Wir erfahren, dass ihre Zwillingsschwester Laure tot ist und sie ihren Namen einem humanoiden Fossilfund verdankt. Da saß sie nun. Mit einer geheimnisvollen Nachricht in ihrer Tasche. Simon, …

Patry Francis: Die Schatten von Race Point

Mein Herz schlägt laut und heftig für den mare Verlag. Vielleicht, weil der Verlag in Hamburg sitzt. Vielleicht, weil er einfach besondere Bücher macht. Vielleicht auch, weil alle Bücher bei mare auf die eine oder andere Art eine Verbindung zum Meer haben, denn so passt mare herrlich zu meinem Motto: Ein Leben ohne Meer ist möglich, aber sinnlos. In letzter Zeit hat es mir von mare ganz besonders „Die Schatten von Race Point“ aus dem Herbstprogramm angetan. In diesem Roman erzählt die Autorin Patry Francis die Geschichte von Hallie Costa und Gus Silva, die wild, gefühlvoll und einfach anders ist. Die Geschichte führt in die amerikanische Kleinstadt Provincetown auf Cape Cod, einer Idylle, wie sie im Buche steht. Als Vater von Hallie wird Nick Costa vorgestellt, der allseits beliebte Hausarzt mit feinem psychologischen Gespür; die Mutter Liz  hingegen ist so früh verstorben, dass Hallie keinerlei Erinnerung an sie hat. Hallie hat ein schönes, geregeltes Leben in der kleinen, heilen Welt von Cape Cod. So scheint es.  Doch dann wird Mrs. Silva umgebracht. Von ihrem Mann. Codfish.  So verliert Gus nicht nur seine Mutter, sondern auch seinen Vater. Dieses …